Fachkräfte sind der Motor unserer Wirtschaft und so dient die Sicherung des Fachkräftebedarfs auch der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland, mit der Entwicklung, Wachstum, Beschäftigung, Wohlstand und Lebensqualität einhergeht. Mit Blick auf den demografischen Wandel sind daher alle Akteure aus Politik und Wirtschaft gefordert.
Auch wenn es keinen flächendeckenden Fachkräftemangel über alle Berufe und Branchen hinweg gibt, so haben sich die Engpässe in einigen Berufsgruppen doch verfestigt. Nach den Ergebnissen der Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit sind besonders das Handwerk, die Baubranche, der MINT-Bereich sowie das Gesundheitswesen vom Fachkräftemangel betroffen.
Dass es in vielen Berufen ein Problem mit der Stellenbesetzung gibt, belegt auch eine vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung am Institut der deutschen Wirtschaft veröffentlichte Studie. Demnach waren im Jahr 2018 laut Statistik bereits 79 Prozent aller offenen Stellen in Berufen vakant, in denen Fachkräfte gesucht werden.
Wie viele Handwerker fehlen in Deutschland?
Neben der Tatsache, dass im Handwerk dringend Nachwuchs gebraucht wird, fehlen laut KOFA-Studie knapp 65.000 Handwerker in den Unternehmen. Davon allein 54.000 Gesellinnen und Gesellen. 5.500 freie Stellen für Meister können ebenfalls nicht besetzt werden oder anders formuliert: Trotz Corona-Krise konnte im Jahr 2020 jede zweite vakante Meisterstelle nicht besetzt werden.
Wo fehlen die meisten Handwerker?
Insgesamt 26 Handwerksberufe sind stark von fehlenden Fachkräften betroffen. Davon zählen 17 Berufe in die Bereiche Produktion und Fertigung sowie Bau. Hierzu gehören z. B. die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie die Kraftfahrzeugtechnik. Absoluter Spitzenreiter ist aber die Fachkraft für Bauelektrik – hier mangelt es besonders an Handwerkern. Auf 100 offene Stellen kommen lediglich 24 Arbeitslose mit einer passenden Qualifikation. Ähnlich verhält sich der Mangel an geeigneten Fachkräften auch in der SHK-Branche.
Der Fachkräftemangel droht jetzt auch die von der Bundesregierung priorisierte Energiewende auszubremsen, denn für den Ausbau der dafür benötigten Wind- und Photovoltaik-Anlagen fehlen laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rund 216.000 Fachkräfte aus dem SHK-Handwerk aber auch aus der IT-Branche.
„Man muss kein Prophet sein, dass mit dem jetzigen Beschäftigtenstamm diese Transformationsaufgaben im Klimaschutz und der Energie- und Mobilitätswende nicht zu stemmen und zu erfüllen sein werden“, sagte auch der Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer von der Handwerkskammer Köln in seiner Funktion als Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) in einem Interview.
Was sind die Gründe und Ursachen für den Fachkräftemangel im Handwerk?
1. Der demografische Wandel macht auch vor dem Handwerk nicht halt
Mit dem seit langem bekannten demografischen Wandel spitzt sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt immer mehr zu.
Laut Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wird sich das Erwerbspersonenpotenzial aufgrund dessen bis 2030 zwischen drei und vierzehn Prozent je nach Zuwanderung im Vergleich zu 2015 verringern. In etwa zu dieser Zeit werden sich die Fachkräfte der sogenannten Babyboomer-Generation mit den geburtsstarken Jahrgängen der 1960er in den Ruhestand verabschieden und den Betrieben nicht mehr zur Verfügung stehen. Zugleich werden erheblich weniger junge Menschen nachrücken. Das Statistische Bundesamt schätzt zudem, dass immer weniger Kinder geboren werden. Damit verstärkt sich der Fachkräftemangel in der Zukunft, denn der Stellenmarkt wird nicht kleiner. Besonders stark wirkt sich der demographische Wandel übrigens in den neuen Bundesländern aus.
2. Viele Ausbildungsstellen im Handwerk bleiben unbesetzt
Auch auf dem Ausbildungsmarkt zeigt sich der Fachkräftebedarf. Aus Mangel an qualifizierten Bewerbern bleiben in vielen Berufsgruppen ebenfalls viele Ausbildungsstellen unbesetzt. Während die Situation in NRW Nordrhein-Westfalen generell noch recht entspannt ist, sind Baden-Württemberg, Bayern und die östlichen Bundesländer besonders betroffen. Immer weniger Jugendliche machen immer häufiger Abitur und gehen anschließend ins Studium, statt sich einen Ausbildungsplatz zu suchen. Gleichzeitig gibt es aber auch eine hohe Zahl an Bewerbern, die keinen Ausbildungsplatz finden – sei es aus mangelnder Qualifikation oder aufgrund regionaler Unterschiede mit Blick auf Angebot und Nachfrage.
3. Veränderte Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt
Verschärft wird der Fachkräftemangel durch die 2014 eingeführte Möglichkeit einer abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren. Damit gingen Tausende von Arbeitnehmern, die noch zwei Jahre hätten arbeiten können, den der Wirtschaft als Arbeitskraft mit einem Schlag verloren.
Eine weitere Ursache, die einen Fachkräfteengpass im Handwerk noch begünstigt, ist der zunehmende Wechsel der Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber zum anderen nicht nur innerhalb des Handwerks, sondern auch zur Industrie. Auch die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU verstärkt den Fachkräftemangel.
Was bedeutet der Mangel an qualifizierten Beschäftigten für das Handwerk und unsere Wirtschaft?
Viele Handwerksbetriebe arbeiten bereits an der Auslastungsgrenze. Fehlt ihnen Personal, können sie keine neuen Aufträge annehmen, was wiederum zu Umsatzeinbußen führt. Gleichzeitig steigen jedoch die Kosten für das Mitarbeiterrecruiting mit negativen Folgen für den Gewinn. Aber auch die Belegschaft ist vom Fachkräftemangel betroffen, denn sie müssen den Engpass durch Mehrarbeit ausgleichen. Über alle Branchen hinweg sehen inzwischen 56 Prozent der KMUs den Fachkräftemangel als eine Gefahr für die Entwicklung ihres Unternehmens.
Projektionen der Bundesregierung zeigen übrigens, dass das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren wesentlich durch die Binnenwanderung in der Europäischen Union gestützt wurde. Und auch die ein oder andere Studie belegt, dass schon jetzt die Wirtschaftsleistung ohne den Mangel an qualifizierten Fachkräften höher wäre.
Mit welchen Maßnahmen kann dem Fachkräftemangel im Handwerk begegnet werden?
1. Attraktivität der dualen Ausbildung steigern
Zwischen 1995 und 2005 wurde aufgrund der extrem schwachen Handwerkskonjunktur massiv Personal im Handwerk abgebaut. Seitdem hat nicht nur das Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“ an Strahlkraft verloren, auch eine Berufsausbildung im Handwerk gilt bei jungen Menschen, die frisch von der Schule kommen, nicht mehr als so attraktiv. Einen weiteren Rückgang gab es zudem im Zuge der Corona-Pandemie im Jahr 2020. Der Mangel an Auszubildenden ist heute das größte Problem: Wo Azubis dem Mittelstand fehlen, fehlen morgen die Fachkräfte. Handwerkliche Betriebe, die Erfolg haben wollen, sollten dieses Thema angehen, regional ihre Präsenz zeigen, in die Azubi-Suche investieren und die Ausbildung attraktiv gestalten.
2. Erwerbsbeteiligung fördern – Ältere Menschen im Blick behalten, bedeutet Fachkräfte im Unternehmen halten
Mangelt es an Nachwuchs, ist es besonders wichtig, ältere Fachkräfte und deren Arbeitskraft möglichst lange im Unternehmen zu halten. Bis zum Jahr 2025 wird das Fachkräftepotenzial von Menschen zwischen 55 und 64 Jahren zwischen 600.000 und 1,1 Millionen liegen. Durch gezielte Maßnahmen wie z. B. stärkere Beteiligung älterer Personen im Rahmen der Weiterbildung, altersgerechte Gestaltung der Arbeit, Teilzeitmöglichkeiten oder aktives Gesundheitsmanagement kann jeder Handwerksbetrieb von diesem Potenzial profitieren.
3. Mehr Frauen ins Handwerk
Unter den Beschäftigten im Handwerk ist der Frauenanteil relativ gering. Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte daher zur Fachkräftesicherung ein Ziel sein. Nur so kann die Zahl an Frauen in handwerklichen Betrieben, die in Vollzeit arbeiten, steigen. In nahezu allen anderen EU-Ländern ist diese Quote höher als in Deutschland.
4. Arbeitslose an- und ungelernte Menschen qualifizieren
Ein wichtiges Thema ist auch die Bildung. Viele Personen ohne berufsqualifizierenden Abschluss haben eine hohe Nachfrage nach einer Tätigkeit als Helfer oder Helferin. Auf dem Arbeitsmarkt haben es Geringqualifizierte nicht nur besonders schwer, sie stehen aufgrund ihrer fehlenden Qualifikation auch nicht zur Bewältigung des Fachkräftemangels zur Verfügung. Aus diesem Grund muss die Bundesagentur für Arbeit leicht zugängliche Angebote für die Ausbildung und Weiterbildung bereitstellen. Aber auch mittelständische Unternehmen sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Fortbildungen anbieten oder die Teilnahme an externen Maßnahmen finanziell fördern. Werden diese Menschen weiterqualifiziert, trägt das ebenfalls zur Fachkräftesicherung bei.
5. Zuwanderung von qualifiziertem Personal aus dem Ausland steuern
Hier ist die Politik gefragt, denn Deutschland braucht attraktive Einwanderungsregelungen und Programme für ausländische Fachkräfte. Ein erster wichtiger Schritt ist das zum 1. März in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz.
Qualifizierten Arbeitskräften mit einer hohen Bildung aus Nicht-EU-Staaten mit einem in Aussicht gestellten Arbeitsplatz macht Deutschland ein besonderes Angebot – sie können mit der Blauen Karte EU weit arbeiten und ihre Familie aus dem Ausland nachholen. Dazu gehört laut Hans Peter Wollseifer aber auch eine entsprechende Willkommenskultur. Laut dem Bundesamt für Statistik waren Ende 2021 etwa 24 % der ausländischen Fachkräfte im Besitz der Blue Card.
6. Starke Arbeitgebermarke aufbauen
Im Wettbewerb um die besten Auszubildenden, Mitarbeiter und Fachkräfte ist es gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen wichtig, positiv von potenziellen Mitarbeitern wahrgenommen zu werden. Damit das gelingt und nicht nur bekannte Großunternehmen als Arbeitgeber in Frage kommen, empfehlen wir den Aufbau einer starken Arbeitgebermarke. Entsprechende Maßnahmen werden als Employer Branding bezeichnet. Dazu gehört auch eine zielgruppengerechte Kommunikation, was den Handwerksbetrieb auszeichnet und von anderen Unternehmen abhebt. Immer mehr Unternehmen werben z. B. auch schon auf Social Media insbesondere um Nachwuchskräfte.